Krankenhausexperte Wolfgang E. Siewert und Barbara Steffens, Gesundheitsministerin NRW. Sie diskutieren seit Jahren die Themen der Krankenhauslandschaft.
Krankenhausfusionen finden derzeit überall in Deutschland statt, weitere sind in Vorbereitung. Doch nicht alle Fusionen gelingen. Sie werden nach kostspieligen Fusionsbestrebungen aufgegeben oder ohne den erwünschten Effekt durchgeführt. Was muss passieren, damit bei Krankenhausfusionen professionell verfahren wird?
Welche Fusionen stehen an?
Im Rhein-Kreis Neuss bahnt sich nach einem Strukturgutachten von Anfang Juni derzeit eine wirtschaftliche Einheit von städtischem Lukaskrankenhaus und angeschlossener Rheintorklinik sowie den beiden Kreiskrankenhäusern an. In Südwestfalen liegt ein Konzeptvorschlag für zwölf geplante Kompetenzzentren an vier Standorten vor (Arnsberg und Meschede). Im vierten Quartal 2017 hoffen die Träger und Gesellschafter (Stiftung Carolinen-Hospital Hüsten, die St. Johannes- und Maria-Stiftung sowie die Alexianer Misericordia GmbH) bereits auf eine Finalisierung des Antragsverfahrens, so dass die Fusion rückwirkend zum 1. Januar 2017 wirksam werden kann. Und im Main-Thaunus-Kreis sollen die kommunalen Kliniken in Höchst, Hofheim und Bad Soden zu einer Einheit zusammenwachsen. Dies sind aber nur einige von vielen Beispielen, die zeigen wie intensiv in Deutschland derzeit im Krankenhaussektor fusioniert wird.
Wo platzen Klinik-Fusionen?
Die kommunalen Kliniken Hanau und Aschaffenburg-Alzenau wurden nicht zusammen geführt. Begründung der Verantwortlichen: Ansteigen der Fallzahlen in beiden Krankenhäusern führe zu Problemen bei Kapazitäten und Finanzierung. Das Krankenhausstrukturgesetz verhindere eine Ausweitung der Leistungen. Eine unterschiedliche Entwicklung der Krankenhäuser habe bewirkt, dass es nicht zu den gewünschten Synergien kommen würde. Dies alles machte eine Fusionierung obsolet.
Ostfriesland vermied ein Scheitern. Hier wurde eine von Städten, Krankenhausleitungen und Politik gewünschte Fusion im Vorfeld abschlägig entschieden mit einem Bürgerentscheid. Die Bürger lehnten die Krankenhausfusionierung ab und erteilten damit einer neuen Zentralklinik in Georgsheil eine Absage. Betroffen sind der Landkreis Aurich und die Stadt Emden.
Warum platzen Klinikfusionen
Nach Helene Mayerhofer, die mit der Hans-Böckler-Stiftung publizierte, sind die häufigsten Faktoren für Scheitern und Misserfolg in diesen Bereichen zu suchen:
- Überschätzung realisierbarer Synergien
- Unterschätzung der Fusionskosten
- Mißglückte Personalintegration
Sie empfiehlt, zumindest aus Kostengründen auf den »Produktionsfaktor« Mensch Rücksicht zu nehmen, wenn schon aus keinem anderen Grund. Denn nur vereinzelt erfolge in der betriebswirtschaftlichen Praxis die Einbeziehung von Kosten, die durch »Konflikte« und »Widerstände« entstünden. Die Bereitschaft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sei aber eine wesentliche Voraussetzung zur Umsetzung von geplanten Synergien und Kostenvorteilen.
Christan Egle von der weltweit agierenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young warnte bei einem Vortragsabend des Fördervereins des Klinikum Memmingen vor ähnlichen Schwierigkeiten: „Die zentrale und schwierigste Aufgabe dabei: Sie müssen in der Ärzteschaft eine Einigkeit über das neue Leistungsspektrum erzielen und die Mitarbeiter müssen die Fusion verstehen: Kommunikation spielt hier eine entscheidende Rolle.“
Warum sind Krankenhausfusionen so wichtig?
Nach der Publikation der Hans-Böckler-Stiftung vonHelene Mayerhofer bezwecken Fusionierungen von Großunternehmen generell betriebswirtschaftliche Vorteile wie die Steigerung des Unternehmenswertes, Synergievorteile, Stärkung der strategischen Position im Wettbewerb. Im Krankenhausbetrieb wird immer auch der Erhalt oder gar eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung mit verfolgt.
Durch Fusionen können Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft im Wettbewerb mit privaten Klinikketten besser bestehen. Kliniken in privater Trägerschaft nehmen zu.
Derzeit haben wir die Situation, dass sowohl demographische Entwicklung, medizinische Entwicklung als auch Digitalisierung 4.0 enorme Umbau- und Umstrukturierungsmaßnahmen erfordern und der Kostendruck steigt. Gleichzeitig gibt es einen Subventionsstau durch mangelnde Investitionsbereitschaft der öffentlichen Hand. Dies setzt den Krankenhaussektor zusätzlich unter Druck. Deshalb fordert Nordrhein-Westfalens Gesundheitsministerin Barbara Steffens ein neues System zur Klinikfinanzierung mit einer zusätzlichen dritten Säule an Finanzmitteln. Auch mit hoch effizienten Strukturen und dem gezielten Aufbau von Kompetenzzentren kann diesen Faktoren zumindest in Teilen begegnet werden, so Krankenhausexperte Wolfgang E. Siewert.
Barbara Steffens, Gesundheitsministerin NRW, daneben Wolfgang E. Siewert, Technischer Leiter / Prokurist Contilia Gruppe
Welche Potentiale warten?
Strukturelle Vorteile wie die Vermeidung von Doppelvorhaltungen sowie die intensivere Nutzung von Infrastrukturen liegen auf der Hand. Bessere Auslastung der Medizingerätetechnik und ein erleichterter Einkauf gehören ebenso zu den angestrebten Verbesserungen. Zumindest scheint dies plausibel und offenkundig so zu sein.
Doch zu einer gelungenen Umsetzung gehört auch eine realistische Abschätzung der einzelnen Potentiale. Wolfgang E. Siewert hat als Technischer Leiter und Einkäufer mehrere Krankenhausfusionen maßgeblich mit begleitet. Er warnt vor zu hohen Erwartungen bezüglich der Kosteneinsparungen durch einen Einkauf mit Einkaufsgesellschaften, die zwar hohe Marktmacht erzeugen könnten, indem sie in großen Mengen bestellen. Aus Erfahrung weiß Siewert aber auch, dass mit der Bestellung in großen Mengen Lieferengpässe verbunden sein können. Wo Kliniken positive Effekte realisieren können – und wie – gehöre in die Verantwortung erfahrener Verantwortlicher auf Managementebene. Auf jeden Fall müsse ein tragfähiges medizinisches Konzept erarbeitet werden, das den einzelnen Häusern eine Kommunikation ihrer unverwechselbaren Kernkompetenzen nach aussen ermöglicht. Dazu kann man erfahrene Berater an Bord holen, die bei der Vermeidung von Fehlern unterstützen und einen reibungslosen Ablauf ermöglichen können.