Kommentar zur ZDF-Sendung „Wie gut sind unsere Krankenhäuser“, ausgestrahlt 02.03.2016
Es ist schon interessant, Ausschnitte aus dem Arbeitsalltag in Kliniken präsentiert zu bekommen, wie es in dieser Dokumentation geschieht. Bedauerlich ist jedoch die abgegriffene Art der Fragestellungen, die suggestiv verneint, dass wir Qualität in unseren deutschen Krankenhäusern haben.
„Jeder zweite Deutsche hat Angst vor dem Krankenhaus“, so steigt die Dokumentation in das Thema Krankenhäuser ein, sodann wird kritisiert, dass die Kliniken wie Wirtschaftsunternehmen agieren, also wirtschaftlich arbeiten. Eine so genannte ‚Undercover-Journalistin‘ arbeitet als Putzfrau im Krankenhaus und zitiert eine Kollegin, die sich gelegentlich nicht an Hygienevorschriften hält, ein Patient aus einer Privatklinik kommt lobend mit der Aussage zu Wort, dass die Speisekarte über fünf Seiten verfügt.
Mal ehrlich, sind diese Fragen neu?: „Gibt es im Krankenhaus eine Zweiklassen-Medizin?“ Allein die Fragestellung, ob „bei all dem Sparzwang die Zuwendung zu kurz“ kommt, zeigt dass keine Antworten, sondern nur Binsenweisheiten angeboten werden. Etwas tiefer, liebe gebührenpflichtige Sendeanstalt, dürfen Sie gern recherchieren.
Noch eine Rezension der Sendung zum Nachlesen von Christoph Küppers:
ZDF-Doku | So schlecht sind unsere Krankenhäuser
Deutschlands Krankenhäuser stehen in der Kritik
- Unnötige Operationen, Behandlungsfehler, rote Zahlen – Deutschlands Krankenhäuser stehen in der Kritik: Jährlich fließen 87 Milliarden Euro in die Klinik-Kassen. Dennoch würden die Behandlungsqualität häufig zu wünschen übrig lassen.
Ist das Meckern auf hohem Niveau? Oder kriegen deutsche Kliniken ihre Problem einfach nicht in den Griff? Sind Patienten nur noch Fallzahlen, die Geld bringen?
Die Doku-Reihe „ZDFzeit“ fühlte unseren Krankenhäusern am Dienstagabend (20.15 Uhr) auf den Zahn.
Das Thema der ZDF-Doku: „Wie gut sind unsere Krankenhäuser?“
Falsche Arztabrechnungen
Prozess in Augsburg Hat Deutschlands reichster Arzt betrogen?
Bernd Schottdorf und seine Frau Gabriele sollen mit zweifelhaften Abrechnungen 78,9 Mio. Euro Schaden verursacht haben.
Die Tricks der Ärzte Falsche Arztrechnungen haben fatale Folgen
Gesetzlich Krankenversicherte wissen nicht wirklich, was Ärzte abrechnen: Bei falschen Angaben kann das sehr teuer werden!
Gibt es in Kliniken eine „Zweiklassengesellschaft“?
Es bleibt ein Dauerthema: Werden Privatpatienten in Krankenhäusern bevorzugt? Die „ZDFzeit“-Doku machte den Check, schickte eine gesetzlich Versicherte und einen privatversicherten Manager ins gleiche Krankenhaus.
Beide Test-Personen litten an einem Bandscheibenvorfall. Beide waren mit Geduld und Physiotherapie nicht weitergekommen, hofften nun auf eine Operation.
Überraschend: Beide Patienten landeten im selben Operationssaal und wurden vom selben Chirurgen operiert: Dr. Ralf Rothörl. Er erklärte: „Wir haben die gleichen OP-Schritte. Die sind durch medizinische Gegebenheiten definiert, nicht durch den Versicherungsstatus.“
Tatsächlich ist der Aufwand identisch: Bei beiden Eingriffen helfen ein Chirurg, eine Anästhesist, ein Assistenzarzt, zwei OP-Schwestern und ein Springer. Gleich auch die Instrumente: ein Satz Mikroinstrumente, ein OP-Mikroskop, ein Beatmungsgerät.
ABER: Nach der OP fallen Unterschiede auf – in Verpflegung und Unterbringung. Auch wenn beide Patienten drei Mahlzeiten bekamen, residierte der Privatpatient im Einzelzimmer. Der Kassenpatient lag dagegen im Mehrbettzimmer.
Fazit der Doku: Die Stichprobe zeigt, dass Privatpatienten nur bedingt bevorzugt werden. Die medizinische Versorgung ist die gleiche, der Privatversicherte liegt aber komfortabler, kann außerdem frei den behandelnden Arzt (z.B. Chefarzt) auswählen.
Schadet das Profit-Streben dem Patientenwohl?
Die Krankenhauslandschaft in Deutschland ist dreigeteilt. Kommunale Einrichtungen machen knapp ein Drittel aus, ebenso viele haben gemeinnützige Träger. Jede dritte Klinik ist heute in privater Hand. Der wirtschaftliche Druck ist überall groß.
Häufig entsteht dieser Druck durch das Finanzierungsmodell: Schon seit 13 Jahren zahlen die Krankenkassen den Kliniken keine Tagessätze mehr. Stattdessen gibt es sogenannte Fallpauschalen – einen festen Betrag, egal wie lange der Patient tatsächlich bleibt.
Kritiker glauben, dass als Ausgleich der finanziellen Ausfälle die Anzahl der Operationen gestiegen sei – auf mittlerweile 16 Millionen im Jahr.
Ein stichprobenartiger Schnell-Check der „ZDFzeit“-Macher bewies das nicht: Drei Kliniken rieten einer Test-Person NICHT zu einer eher unnötigen Operation. Ein beruhigendes Ergebnis!
Ein Problem sind aber vor allem die Notfallaufnahmen der Kliniken. Hier muss jeder behandelt werden – vom echten Notfall bis zum eingebildeten Kranken. Die Folgen der Mehrbelastung: Das Pflegepersonal ist doppelt so häufig krank wie der bundesdeutsche Durchschnitt. Ein Drittel ist Burn-out gefährdet.
Gesundheitsökonom Prof. Gerd Glaeske erklärt: „Wir haben festgestellt, dass nach sieben Jahren ein Bruch bei vielen Pflegekräfte entsteht. Sie sagen: ‚Wir können einfach nicht mehr, wir können nicht mehr so mit den Patienten umgehen, wie wir uns das wünschen.‘“
Fazit der Doku: Mitunter leidet das Patientenwohl! Laut einer Umfrage gibt jeder dritte Chefarzt zu, schon einmal aus finanziellen Gründen unnötig operiert zu haben. Manchmal behandeln Kliniken Risikopatienten, obwohl sie dafür nicht die Kompetenz haben. Das Pflegepersonal muss sich oft auf das Nötigste beschränken.
Krankenversicherung
Neues Gesetz So bekommen Sie schneller Facharzttermine
Patienten bekommen einfacher Termine bei Fachärzten. Auf die Umsetzung eines Gesetzes haben sich Ärzte und Krankenkassen geeinigt.
Krankenversicherungen Lohnt sich jetzt der Kassenwechsel?
In der privaten Krankenversicherung explodieren die Tarife ab 2016 um bis zu 30 Prozent. Auch die gesetzliche Krankenkasse wird teurer.
Wie groß ist die Gefahr, sich mit Krankenhauskeimen zu infizieren?
Bis zu 900 000 Menschen infizieren sich jährlich während eines Klinikaufenthaltes mit Keimen. Schätzungsweise 30 000 sterben daran. Heute gilt knapp ein Zehntel der Keime als multiresistent – sie können vor allem für Kinder und alte Menschen gefährlich werden. Wer infiziert ist, gilt als sogenannter MRSA-Patient.
In der „ZDFzeit“-Doku packte eine Insiderin aus. Krankenschwester Maria B. sieht den Umgang mit MRSA-Patienten mit Sorge: „Alleine die Zeit sich einzukleiden, reinzugehen, dann auszukleiden, das dann wieder zu entsorgen – das geht in acht Stunden einfach nicht!“
Für das Keim-Problem machte die erfahrene Krankenschwester auch den Sparzwang verantwortlich: „Die Tests, die bessere Versorgung würden Geld kosten. Mehr Pflegepersonal, mehr Ärzte, das Material, die Isolationszimmer – das kostet alles Geld.“
Dass diese Schilderungen keinesfalls aus der Luft gegriffen sind, zeigte der Test einer ZDF-Reporterin. Sie schleuste sich als Reinigungskraft ins Krankenhaus ein, nahm heimlich Keimproben. Ein Check mit erschreckenden Erkenntnissen!
Denn eine fachgerechte Einweisung erhielt die Journalistin nicht, lediglich ein Formblatt. Anweisungen gab es von Kolleginnen: Die Reporterin sollte in den Patienten-Zimmern für Toilette, Waschbecken und Flächen jeweils einen Lappen benutzen – und diese nach jedem Zimmer wechseln. ABER: So viele Lappen wurden gar nicht ausgegeben.
Der renommierte Hygiene-Arzt Prof. Klaus-Dieter Zastrow: „Das ist einfach eine Sparmaßnahme. Der Putzwagen muss so ausgestattet sein, dass alle Lappen, die ich brauche und sogar noch einige mehr, vorhanden sind.“
Beunruhigend: Ein Hamburger Labor wies in vielen der von der Reporterin entnommenen Proben eine kritische Keimbelastung nach – etwa auf einem Desinfektionsmittelspender, auf der sauberen Krankenhaus-Wäsche und auf der Handauflage einer Sitzgruppe. Sogar im Putzwasser fanden sich Keime.
Fazit der Doku: Das Risiko sich mit einem Krankenhauskeim anzustecken, ist in Deutschland relativ hoch. Viele Fälle wären durch eine gründlichere Desinfektion vermeidbar.
Kommt beim Sparkurs die Zuwendung zu kurz?
Steile These der „ZDFzeit“-Doku: Nirgendwo sonst in Europa haben die Ärzte weniger Zeit für die Patienten als hierzulande! Experten bemängeln aber tatsächlich die Zuwendung.
Dr. Ilona Köster-Steinebach vom Bundesverband der Verbraucherzentralen: „In unserem System wurde verkannt, dass Menschlichkeit Zufriedenheit und auch gute Behandlungsergebnisse schafft. Man hat geglaubt durch Kosteneinsparungen die Dinge dauerhaft besser zu machen. Allmählich zeigt sich, dass das nicht der richtige Weg ist.“
Beispiel: An der Berliner Charité wird von Forschern untersucht, wie wichtig Geborgenheit für den Heilungsprozess der Patienten ist. Auf einer Intensivstation der Zukunft mit deutlich mehr Persönlichkeit, individuellen Zimmern, Ruhe. Die Idee: Die Bedürfnisse der Patienten sollen wieder im Mittelpunkt stehen.
Auch Arzt-Guru Zastorw befürwortet diesen Ansatz: „Wir haben so etwas vor 20 Jahren bereits dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt. Das ist damals abgelehnt worden mit dem Kommentar, das sei nur kostentreibend und bringe nichts. Ein Krankenhaus müsse schrecklich sein, damit der Patient schnell wieder nach Hause will.“
Das Doku-Fazit
Die Antwort auf die Frage, wie gut unsere Krankenhäuser sind, fällt zwiespältig aus:
Die Probleme Hygienemängel, unnötige Eingriffe, Personalknappheit sind und bleiben ein Dauerthema. Andererseits werden in unseren Krankenhäusern jedes Jahr Millionen Menschen behandelt und geheilt – auch dank innovativer Spitzenmedizin!