Wieder ist es passiert. Als hätte der WDR nicht schon vor zehn Jahren Fernsehbeiträge gesendet, die solche Skandale aufdeckten. Unter anderem Fernsehbeiträge von der Autorin dieses Artikels. Damals ging es um ungesicherte Krankenakten-Archive und den Umgang mit digitalen Systemen, die so offen konfiguriert wurden wie ein Scheunentor. Jeder im Krankenhaus konnte die Diagnosen lesen oder – manchmal unqualifizierte – Kommentare über Patienten hinein schreiben. Diese waren dann wiederum für jeden im Haus öffentlich, ob auf irgend einer anderen Abteilung oder am Empfang.
Der Krankenhausmanager räumte damals ein, dass das Personal aus Gründen der Effizienz und Kosten flexibel und kurzfristig über die Stationen verteilt werden müssten und in ihrem Arbeitsalltag damit überfordert wäre, ständig Zugangsberechtigungen neu einzurichten.
Im Wesentlichen appellierten wir vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen damals daran, die Sensiblität für den Umgang mit den Gesundheitsdaten konsequent weiter zu schulen.
Aktueller Tatort: Das Krankenhaus in Münsing am Starnberger See. Heute findet ein Fotograf zufällig Krankenakten von früheren Patienten in einem seit zehn Jahren stillgelegten Klinikgebäude. Von Digitalisierung keine Spur, das ist hier nicht das Problem. Stattdessen einfach nur ein leer stehendes Gebäude mit massenweise Krankenakten im Keller, angeblich frei zugänglich, so berichtet der Merkur .
Vielleicht hätte kaum jemand diesen Vorgang zur Kenntnis genommen, wären nicht die Krankenakten von Stars dabei gewesen, wie die von Harald Juhnke. Auch die Röntgenbilder von Klausjürgen Wussow, der in der Fernsehserie „Die Schwarzwaldklinik“ ausgerechnet den Chefarzt Prof. Brinkmann spielte und der inzwischen, im Jahr 2007, verstorben ist, wurden von dem Fotografen gefunden. Jetzt befassen sich Datenschützer mit dem Thema.
Im März hatte Focus ein Datenleck bei diversen Krankenkassen gemeldet, das dann vielleicht doch ’nur‘ ein Datenklau war, vor dem niemand sicher sei, so die Krankenkassen. Kurz zuvor war Faschingskonfetti durch die Presse gegangen, hergestellt aus Krankenakten , so grob geschreddert, dass Namen und Diagnosen leserlich waren. Im Schleswig wurde der Vorwurf eines unsensiblen Umgangs mit Patientendaten aus einer jugendpsychiatrischen Einrichtung laut.
Natürlich müssen all diese Fälle genauestens geprüft und untersucht werden. Eines steht aber schon jetzt fest:
Patienten wollen im Krankenhaus medizinisch gut versorgt werden und sich geschützt fühlen. Ein Schlüssel dazu liegt einerseits in einem sicheren Datenschutz, andererseits in der Verknüpfung von Prozessen, welche Patientenkommunikation ebenso wie Service und Infotainment mithilfe der Digitalisierung einbezieht. Kann man das alles leisten? Oder sind dem natürliche Grenzen gesetzt?
Der fortschreitende Digitalisierungsprozess im Gesundheitswesen erfordert fraglos zunehmend weitere Entwicklungen von Software-Lösungen auf dem Gebiet der stationären Versorgung. Ohne diese Hilfen künstlicher Intelligenz ließe sich der Anspruch auf eine hochwertige und effiziente Versorgung künftig nicht ansatzweise umsetzen. Mit den digitalen Entwicklungen steigt auch die Anwenderfreundlichkeit. Die Anzahl der Schulungen für datenschutzrechtliche Aspkete beim Umgang mit der jeweiligen Software muss aber auch steigen.
Im Spannungsfeld von effizient gestalteten Abläufen, Kommunikation und Transparenz sowie Service für den Patienten geht es immer wieder darum, allen Beteiligten den Sinn und die Bedeutsamkeit des Datenschutzes ins Bewusstsein zu bringen.
Sonst heißt es bald: Konfetti aus Inge Meysels Krankenakten auf Party gefunden.